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"Vieles wird unter der Decke gehalten", Der italienische Anwalt Sergio Cavaliere hat zehn Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester in Italien vertreten

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view post Posted on 29/1/2017, 13:31
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Der italienische Anwalt Sergio Cavaliere hat zehn Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester in Italien vertreten

http://www.badische-zeitung.de/ausland-1/v...-132743970.html

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BZ-INTERVIEW

Opfer-Anwalt: "Vieles wird unter der Decke gehalten"
Der italienische Anwalt Sergio Cavaliere hat zehn Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester in Italien vertreten. Julius Müller-Meiningen sprach mit ihm über die schleppende Aufklärungsarbeit des Vatikans.

Sergio Cavaliere | Foto: jmüm
Sergio Cavaliere Foto: jmüm
BZ: Papst Franziskus ging hart mit Missbrauchstätern in der Kirche ins Gericht. Meint es der Papst ernst?

Cavaliere: Nein, sein Verhalten ist scheinheilig. Die von ihm eingerichtete Kinderschutzkommission hat in drei Jahren nichts zu Stande gebracht.

BZ: Von der Kommission stammt etwa der Vorschlag, ein Vatikan-Gericht für vertuschende Bischöfe einzurichten...

Cavaliere: ...Aber seit der Ankündigung ist nichts passiert. Das Gericht gibt es immer noch nicht. Die Kommission hat sich dreimal getroffen und keine konkreten Ergebnisse geliefert. Das hat auch damit zu tun, dass ihre Mitglieder sich der Kirche verpflichtet fühlen. Ein Betroffener, Peter Saunders, wurde wegen seiner Kritik vor die Türe gesetzt.

BZ: Der Journalist Emiliano Fittipaldi weist darauf hin, dass sich Franziskus mit zahlreichen Prälaten umgibt, deren Verhalten zum Thema Missbrauch Fragen aufwirft. Könnte das Wirkung zeigen?

Cavaliere: Der Papst darf sich nicht mit diesen Männern umgeben. Er muss aufräumen. Leider deutet sein Verhalten auf das Gegenteil hin.

BZ: Was meinen Sie damit?

Cavaliere: Ich vertrete eines der Opfer des Taubstummen-Instituts Provolo aus Verona, in dem von Priestern jahrelang fürchterliche Verbrechen begangen wurden. Wir zeigten Don Nicola Corradi im Jahr 2011 an, der Vatikan wusste Bescheid. 2014 tauchten dieselben Täter in einer Taubstummen-Schule in Argentinien wieder auf.

BZ: Was passierte dann?

Cavaliere: Eine der Betroffenen überreichte Papst Franziskus bei einer Generalaudienz noch im selben Jahr einen Brief, in dem geschrieben stand, dass die Männer unbehelligt in der Heimat des Papstes lebten und wieder mit Taubstummen in Kontakt waren. Nichts passierte. Corradi und die anderen wurden im vergangenen November verhaftet, weil sie wieder Kinder missbrauchten. Entweder werden dem Papst die Dinge nicht mitgeteilt oder er ist ein Mitwisser.

BZ: In Ländern wie den USA, Irland oder Deutschland wurden viele Fälle von Missbrauch durch Priester in den vergangenen Jahren aufgearbeitet. Warum ist das in Italien oder auch Argentinien anders?

Cavaliere: Die katholische Kirche ist in stark katholisch geprägten Ländern immer noch sehr einflussreich und stark in der Gesellschaft verwurzelt. Die Aufklärung ist deshalb schwieriger. Die etwa 200 bekannt gewordenen Fälle von Missbrauch in Italien sind nach meiner Einschätzung nur die Spitze des Eisbergs.

BZ: Wieso dauert die Aufklärung so lang?

Cavaliere: Die Bischöfe haben sehr viel Einfluss. Wenn die Spitzen der Diözesen nicht kooperieren, haben die Staatsanwaltschaften wenig Möglichkeiten zur Aufklärung. Vieles wird unter der Decke gehalten. Außerdem besteht in Italien keine gesetzliche Pflicht zur Anzeige von Missbrauch und die Taten verjähren vergleichsweise schnell. Das ist das größte Hindernis.

BZ: Warum?

Cavaliere: Die Opfer zeigen die Taten fast nie sofort an. Meist geht diesem Schritt ein langer Prozess voraus. Die Betroffenen wollen den Missbrauch nicht wahrhaben, sie schämen sich, haben Angst vor den Konsequenzen einer Anzeige und auch Angst davor, nicht ernst genommen zu werden. Oft zeigen sie deshalb erst nach Jahren oder Jahrzehnten ihre Peiniger an. Opferverbände fordern deshalb zurecht, dass die Verjährung bei Missbrauch vollständig aufgehoben wird.

Sergio Cavaliere (46) ist Anwalt und hat eine Kanzlei in Capua bei Neapel.
 
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